Arbeitswelt - kein Thema für Literatur?

Meine Romane spielen oft auch in der Arbeitswelt meiner Protagonisten. Für mich ist Arbeit ein wichtiger Teil des Lebens.

Jeder verbringt einen großen Teil seines Tages und insgesamt einen sehr großen Teil seiner Lebenszeit mit Arbeit. Warum sollte die nicht Thema von Literatur sein? Mich interessieren die zwischenmenschlichen und gesellschaftspolitischen Bezüge in der jeweiligen Arbeitswelt, aber auch, was und wie hier gearbeitet wird, in welchem Verhältnis die Arbeit und ihr Ergebnis zu der menschlichen Gesellschaft und zu den Bedürfnissen der Menschen steht.

Aber wenn ich es mir überlege, kenne ich nicht allzu viele Werke – sowohl gegenwärtige als auch klassische – deren Plot direkt innerhalb des Arbeitsprozesses der Protagonisten angesiedelt ist. Die jeweilige Arbeitswelt wird meist nur angerissen, sie bildet oft den Rahmen für die eigentliche Handlung, die aber mit der Arbeit selbst dann wenig zu tun hat. Sie bietet Anlässe für Beziehungen und Konflikte, bleibt aber oft nur Kulisse.

Ich habe mich schon oft gefragt, warum das so ist. Als gehöre die Arbeit eines Menschen gar nicht zu ihm und seinem Leben. Sie bleibt ihm entfremdet? Das ist sicher richtig und so manche Arbeit ist nicht mehr als ein ätzender, langweiliger Stress, den man so schnell wie möglich hinter sich bringen möchte. Aber wäre das nicht allein schon ein Thema für Literatur? Und erst recht, wenn es sich um eine Arbeit handelt, die inhaltliche Herausforderungen mit sich bringt, die vielleicht politische Implikationen beinhaltet, die einer Ethik oder aber auch einer anderen, oft rein ökonomistischen Wertung unterliegt, ist hier die Arbeitswelt nicht gerade der Schauplatz für Prozesse, die das menschliche leben bestimmen?

Mein neues Buch spielt – und es ist das Zweite dieser Art – zum großen Teil während der Arbeit meines Protagonisten und beschreibt ihn auch direkt während seines Arbeitsprozesses. Es thematisiert dabei seine Einstellung zu dieser Arbeit, die handwerklichen oder auch geistigen Herausforderungen, die Wahrnehmung des eigenen Erfolges oder Misserfolges usw.

Meine Lektorin sah offenbar die Notwendigkeit nicht ein, meinen Dieter immer wieder unmittelbar in seiner Arbeit zu zeigen. Man wisse ja nun, was er mache und dass es ihm wichtig sei. Aber das reicht mir nicht. Es geht ja gerade um einen Konflikt, bei dem die Qualität und die Art und Weise, in der diese Arbeit erbracht werden sollte, eine entscheidende Rolle spielt. Und deshalb sollten der Leser und die Leserin meines Erachtens auch mitverfolgen können, worin dieser Konflikt, worin diese sich widersprechenden Vorstellungen über die gemeinte Arbeit bestehen. Natürlich wäre eine Auseinandersetzung zwischen Elektrikern, ob eine bestimmte Bohrung mit dem oder aber mit dem Werkzeug besser gelingen kann, weniger interessant. Aber bei der beschriebenen beruflichen eines Beraters in Lebensfragen geht es um menschliche Existenzen, um die Würde von Menschen, um ihre Lebensfähigkeit, ihre seelische und geistige Gesundheit. Und da ist die Frage nach Zielen, Methoden und nach dem, was man hier als erfolgreiche Arbeit definieren möchte, von hoher Brisanz und sehr viel mehr als das Lokalkolorit für eine Geschichte. Sie ist sozusagen der springende Punkt, an dem der Roman sich entzündet.