Was gilt heute als Kunst?

Offiziell produziert und stützt man die sogenannte klassische, hochwertige, etablierte Kunst, die nur von gebildeten Schichten und solchen, die sich als gebildet zeigen möchten, frequentiert wird. Opernhäuser werden für Unmengen Geld neu aufgebaut, Konzertsäle mit noch besserer Akustik, große Welttheater, Schlösser restauriert….

Daneben existiert die ebenfalls etablierte „moderne Kunst“. Auch sie wird von der „besseren Gesellschaft“ gefeiert, und sie zu kennen gilt als ein Zeichen für Modernität, Lebensoffenheit, aber vor allem von Reichtum und der Zugehörigkeit zur „gehobenen Gesellschaft“. Gütekriterium dieser modernen Kunst ist es in erster Linie, verrückt und exotisch zu sein, je skuriler, desto besser.

Die Rezeption bekannter Dramen in den modernen Theatern bedient sich inzwischen ebenfalls der modern, sprich neoliberalen Wertehierarchie von “Höher, Schneller, Weiter“. Wenn Shakespeares Sonette auf der Berliner Bühne dargestellt werden, so staunt der Zuschauer über den Mut des Regisseurs, die akrobatische Geschicklichkeit der Schauspieler, das bisher unübertroffene Maß an Verfremdung des alten Textes. Man macht einen Zirkus aus der Kunst und ist begeistert von sich selbst. Was die Meister eigentlich zu sagen hatten, interessiert, wenn überhaupt, nur am Rande.

Etablierte, klassische und „moderne“ Kunst sind heute vor allem eins, Erkennungs- und Abgrenzungsmerkmale der Schicht der Reichen, Gebildeten, Mächtigen. Kunst wurde inzwischen zu einem trennenden Merkmal, das die die gehobene Gesellschaftsschicht von den einfachen Leuten, den Ungebildeten, den Armen abgrenzt.
Erinnert das nicht überdeutlich an Huxleys brave new world?
Auch die Summen, die für die Versteigerung von Gemälden bekannter Maler aufgebracht werden, machen klar, dass die etablierte Kunst inzwischen ein Zeichen von Reichtum und Macht geworden ist. Ein Picasso gehört nun einem bestimmten Menschen, der die notwendigen Millionen berappen konnte, und nicht mehr der Allgemeinheit.
Für die gehobene Kunst und ihr Management gibt unser heutiger Staat weit mehr Geld aus, als er an Förderung für die Kunst zur Verfügung stellt, die unbekannte, kleine, mitunter kritische, oft sehr kreative Künstler schaffen. Und bei denen, so behaupte ich mal. ist Kunst meistens lebendiger, innovativer, lebenslustiger und ergreifender als das, was wir als offizielle Kunst in den großen Häusern geboten bekommen.
Dennoch leben diese Künstler nicht selten an der Armutsgrenze.

Im September 2017 haben hier in Berlin eine Gruppe unbekannter und eben armer und wenig geförderte Künstler das neu eröffnete Volkstheater besetzt, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Es endete damit, dass am Ende der Aufregung die „richtige, offizielle, etablierte“ endlich wieder die Theaterräume einnehmen und nutzen konnten. Natürlich, möchte man sagen.
Die Presse schrieb: Sieben Tage lang hatten Aktivisten die Berliner Volksbühne besetzt. Nun wurde die „permanente Theaterperformance“ von der Polizei beendet …

Die Verantwortlichen der Besetzung der Berliner Volksbühne bezeichnen den Ausgang der Aktion als großen Erfolg.
Er sei ihnen gegönnt.

Aber mich überkommt vor allem Wut an darüber, dass sich dieser Staat so viele Hungerkünstler leistet und sie mehr oder weniger am langen Arm einfach verhungern lässt.
Das wirft wahrhaftig kein gutes Licht auf unseren Staat und die ihn beherrschenden sogenannten besseren Gesellschaftsschichten.