2022
Die Geschichte von Lilofee und dem Wassermann ist uralt.
Als Kind hat mir meine Mutter dieses Lied sehr oft vorgesungen und wir beide, sie und ich, mussten dabei regelmäßig leiden. Ich glaube aber, sie hat mit Lilofee und ihrem unerbittlichen Schicksal mitgelitten. Ich aber stellte mir die Kinder am Grunde des Sees vor, die von ihrer Mutter verlassen worden waren.
Im Lied gibt Lilofee nach: „Und eh ich die Kinder weinen lass, scheid‘ ich von Laub und grünem Gras“ Je älter ich wurde, desto mehr ging ich zur Lilofee-Partei über und irgendwann ärgerte ich mich genau wie meine Mutter darüber, dass Lilofee nichts anderes übrig blieb, als Heimat, ihre geliebte grüne Welt und ihre Freunde zu verlassen, weil es gar nicht anders denkbar schien, als dass sie zurückkehren würde zu den Kindern.
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Dieses Lied ist viele Male gesungen, interpretiert und als auch literarische Vorlagen bearbeitet worden. Und ausnahmslos geht dort die Geschichte immer wieder so aus, dass Lilofee nachgibt, dass sie sich mehr oder weniger selbstverständlich und mehr oder weniger glücklich am Ende der Geschichte wieder in ihre Rolle als Frau und Mutter begab. Und noch etwas fiel mir bei den vielen Interpretationen auf: Sehr oft ist der Wassermann ein ekliger und vor allem brutaler Typ. Dass er ein attraktiver junger Mann hätte sein könnten, kam wohl niemand der fast ausnahmslos männlichen Interpreten in den Sinn. Meist war Lilofee Opfer seines Raubes oder seiner Entführung. Dass sie freiwillig mit ihm in seine Welt gegangen sein könnte, wollte sich kaum einer vorstellen.
Ich habe schon vor vielen Jahren diese Ballade als Novellenvorlage genutzt. In meinen literarischen Seiten hier auf der Webseite kann man daraus Auszüge nachlesen.
Bei meiner Graphic Novel ging es mir um eine neue Interpretation der Geschichte und vor allem darum, dass Lilofee nicht nachgibt, sondern einen anderen Weg such. Sie verlangt, dass ihr Liebster mit ihr zusammen eine Lösung findet, die ihrer beider Elternrolle gerecht wird und keinen von ihnen als Opfer brandmarkt.