An die, die nach mir kommen

in Analogie zu B.B.

I

Ja sicher, uns geht es gut.

Sogar unsere Armen sind meistens satt.

Die auf der anderen Seite stehen,

sehen uns mit Neid und Hass.

Man sagt euch, ihr müsst verteidigen,

was euer ist. Und warum?

Ich kann die Tür nicht verschließen vor denen,

die Einlass begehren.

Ich kann nicht sagen: Dies hier gehört uns.

Es gehört den Menschen.


Ich kann auch nicht sagen:

unsere Götter sind die besseren,

unsere Sitten sind die richtigen,

unsere Gedanken sind wahrer als ihre.

Rom bleckt mal wieder die Zähne.

Es hat die besseren Waffen

und einen großen Hunger.

Recht hat, wie immer, wer stärker ist:

Im Namen Gottes, der Demokratie und

was sonst noch so einfällt.


Dies ist keine Welt,

die wir euch mit Stolz hinterlassen.

Dies ist das Reich des Wolfes im globalen Pelz.

An seinem Hof herrscht der allmächtige

Spaß, und das Gerappel der Kassen

füllt die Hirne und Herzen.

Wir haben versucht, unsere Welt zu verändern.

Darüber sind wir alt geworden.

Diese hier wollten wir verhindern.

Es ist uns nicht gelungen.

II

Damals, zwischen Kuckucksnelken

und zerbrochenen Bodenfliesen in Ruinen,

haben wir gelernt zu überleben

und zu träumen.

Die Kletterpartien über die Trümmer der Welt

unserer Vorfahren und über die

Eisenträger des Wirtschaftswunderlandes

konnten seelische Schieflagen

nicht verhindern. Dennoch:

Das Gute schien machbar.


Wir wollten, wie viele vor uns,

die Welt wieder auf die Beine stellen, wir,

die Kinder von Lenin und Brecht,

(von Marx und Coca Cola. Wer kennt den noch?).

Damals hätte ich sofort gewusst,

was es zu sagen gäbe an die Adresse der

Nachgeborenen: Menschenwürde

und Gerechtigkeit hätte ich besungen, und

gesprochen hätten wir voll Klugheit

über die dornigen Wege bis dahin.

Die sich als unbegehbar erwiesen. Wenig später.


Als ihr dann kamt, Hoffnungsträger, Schreihälse,

waren mir die Argumente

schon aus den Händen gefallen.

Ich fand mich auf einmal wieder

in der scheinbar besten aller derzeit möglichen Welten.

Alle Leuchttürme waren erloschen. Es wurde kalt.

Euch sah ich heranwachsen. Ich brachte euch

das Überleben bei, aber ich wagte es nicht mehr,

eurem Werden eine Richtung zu geben.

Ich hatte die meine verloren.

III

Heute gehe ich angewidert und tatenlos

ein und aus in der plastikknisternden Welt

des Wolfes. Hofnärrin und müde.

Das Leiden der Menschen sehe ich

auf dem Bildschirm und manchmal

an den Straßenecken. Noch immer

schlägt dann mein Herz die Hände

vors Gesicht und weint. Ihr aber

schreitet achselzuckend mitten durch.

Das macht mich traurig.


Ich sehe euch andere Wege beschreiten,

zu anderen Zielen.

Was also soll ich euch sagen?

Die alten Träume

entlocken den Heutigen

doch höchstens ein Lächeln.

Was ich euch mitgeben konnte,

trägt nicht weit.

In dieser Welt, die die eure ist,

braucht man ganz andere Schuhe.


Ihr aber fürchtet euch nicht.

Ihr geht einfach nach vorne.

Der Hof des Wolfes ist euer zu Hause.

Ihr habt gelernt,

nach seiner Pfeife zu tanzen und

hinter seinem Rücken euer Ding zu drehn.

Das ist eure einzige Chance.

Denn ihr werdet leben,

wo ich nicht mehr leben muß.


Ich denke an euch mit Nachsicht.